FDP Werne lehnt Schulden-Haushalt ab

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In seiner Sitzung am 15. Februar 2023 stimmte der Rat der Stadt Werne über den Haushaltsentwurf 2023 ab. Die FDP-Fraktion lehnt den Haushalt ab, der über 11 Millionen Euro neue Schulden vorsieht. In ihrer Haushaltsrede erklärt FDP-Fraktionsvorsitzende, Claudia Lange, die Ablehnung:

 

Herr Bürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

beim Blick auf den Haushaltsentwurf, den uns die Verwaltung hier vorlegt, fällt mir vor allem ein Wort ein: Resignation!

Winston Churchill wird der schöne Satz zugeschrieben: „Verpasse niemals die Chancen einer guten Krise.“ Die Krise ist für uns alle spürbar – doch die geradezu fatalistische Handhabung des Bürgermeisters dieser Krise, seine Nicht-Reaktion nach dem Motto „Wir können da nichts tun und daher strengen wir uns auch nicht an!“ ist für die Bürgerinnen und Bürger, auf deren Rücken die Stadt 11,4 Millionen Euro Verluste einfahren will … ja, für sie ist es nicht weniger als ein Trauerspiel!

Doch bevor ich auf dieses Trauerspiel eingehen möchte, muss ich einen noch gravierenderen Punkt ansprechen. Der eigenmächtige Abschluss neuer Gasverträge zu Höchstpreisen im August durch den KBW ist nicht weniger als

eine Missachtung des Rates und damit der Bürgerinnen und Bürger. Durch die neu abgeschlossenen Lieferverträge für Gaslieferungen wurde der Zuschussbedarf für das Solebad auf 4,5 Millionen Euro mehr als verdoppelt! Ausgaben, die vom Wirtschaftsplan nicht gedeckt waren und für die der Bürgermeister eine Genehmigung des Rates benötigt hätte. Ohne den Rat zu beteiligen, haben Sie, Herr Bürgermeister Ihre Befugnisse überschritten und diese Verträge geschlossen.

Wir halten das nicht nur für rechtswidrig, es ist unabhängig davon auch eine Missachtung der Politik und eigentlich ziemlich frech, uns das Ergebnis dann als „alternativlos“ zu verkaufen. Ihre einsame Entscheidung hat den Bürgerinnen und Bürgern Millionenverluste beschert. Bis heute konnten Sie uns nicht darlegen, inwieweit Teile dieser unnötigen Verluste dank Gaspreisbremse von der Bundesregierung übernommen werden. Eine Veränderungsliste, die neue Erkenntnisse abbilden würde, haben Sie uns auch nicht vorgelegt.

Inzwischen sind die Gaskosten wieder kräftig gesunken und wir sind nun an die teuren Preise vom Sommer gebunden – wie lange das gilt, haben Sie uns nicht mitgeteilt. Ihr Haushaltsentwurf ignoriert jedenfalls neben der Gaspreisbremse auch die Preisentwicklung seit Haushaltseinbringung komplett. Eine solche Missachtung unserer Rechte dürfen wir als Stadtrat nicht hinnehmen! Herr Bürgermeister, für die Folgen Ihrer Entscheidung tragen Sie jedenfalls die Verwantortung.

Zurück zum vorliegenden Haushaltsentwurf, der in so vielerlei Hinsicht fragwürdig ist. Wesentliche Bestandteile des Regionale 2016-Projekts werden in die Zeit unserer Enkel verschoben, weil das bei irgendeiner Besprechung 2021 mal erbeten wurde? Das nehmen wir hin? Es finden sich lediglich Gestaltungswettbewerbe für Uferbereiche. Wird die Regionale 2016 von sich selbst überholt? Die Bürger fühlen sich doch zu Recht veräppelt! Erst gibt es Bürgerbeteiligung und Workshops und am Ende steht nur ein Gestaltungswettbewerb? Es ist doch wirklich ziemlich peinlich, wenn in der Beantwortung unserer Fragen durch die Verwaltung am Ende der Regionale 2016 ganz lapidar der Satz steht: „Eine ganzheitliche Diskussion über den

Fortbestand des Projektes bzw. die Beschränkungen auf realistisch umzusetzende Maßnahmen sollte im Laufe des Jahres geführt werden. Es können keine qualifizierten Äußerungen zur Aufteilung und Förderung gemacht werden.“ Ich sehe schwarz für das Projekt, die Website des Projekts gibt es nicht mehr, die Geschäftsstelle wird als „dauerhaft geschlossen“ angegeben – ein Puzzleteil des Trauerspiels!

Keinen Deut schneller geht es in Sachen Mobilitätskonzept speziell bei den Radwegen voran. Die Planungen für die Sanierung und den Ausbau der Radwege beschränken sich auf 40.000 € für Konzepte und auf 50.000 € für Sanierungsmaßnahmen im Bestand. Zum Verständnis: Das reicht für 400m Radweg. Mit anderen Worten – selbst bei über 11 Millionen Euro Defizit reicht das Geld noch nicht einmal aus, um sich um die Belange zu kümmern, die die Bürger wirklich beschäftigen. Unsere Radwege werden weiter noch jahrelang so marode bleiben.

Von nicht vorhandenen Finanzmitteln wird auf der anderen Seite aber ein Förderprogramm der Stadt Werne zum Beispiel für private PV-Anlagen ins Leben gerufen – von allen übrigen Parteien übrigens befürwortet und genehmigt. Solche Maßnahmen des Klimaschutzes werden vom Bund in ausreichendem Maße gefördert, dafür darf die Stadt Werne keinesfalls den Schuldenberg erhöhen!

Lieber gibt Bürgermeister Christ Geld für 13 weitere Mitarbeiter in seiner Verwaltung aus. Mitarbeiter, für die wir im Stadthaus nicht mal Sitzplätze haben. Offenbarg keinen Ehrgeiz haben Sie, Herr Bürgermeister, durch Effizienzsteigerungen und Fokussierung auf Kernaufgaben mit dem bestehenden Stellenplan auszukommen. Ihre einzige Sorge ist es, noch Räume zu finden, in denen wir all die neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterbringen können. Die Wienbredeschule können wir nicht entwickeln, weil sie als Bürofläche gebraucht wird. Es ist überhaupt kein Wille erkennbar, Finanzmittel nicht auszugeben. Das Stadtmarketing zieht mit seinen 11 Mitarbeitern aus dem Stadthaus auf über 200 qm Bürofläche. Unser Vorschlag, zur Kosteneinsparung auf 30 qm im Dachgeschoss zu verzichten, wird rigoros abgelehnt. Wohlgemerkt

handelt es sich um Mitarbeiter der Stadt, die dann auf 18 qm pro Person residieren, Schüler an der Grundschule werden mit 5 qm Schulhoffläche und 2,5 qm Fläche im Klassenraum artgerecht gehalten – es bleibt ein Trauerspiel.

Von der reinen Handlungsträgheit der Verwaltung zum Haushalt als solches. Für die Verwaltung und für einige von Ihnen mag unserer stetiger Ruf nach Kennzahlen mittlerweile ein Rauschen im Ohr sein. Meine Damen und Herren, das ist nicht aus der Luft gegriffen. Die Kommunalhaushaltsverordnung Nordrhein-Westfalens schreibt „Kennzahlen zur Messung der Zielerreichung“ gesetzlich vor! Und aus der Kämmerei hören wir, dass man das ja jetzt schon seit 2008 von unserer Seite höre … und faktisch ignoriere. Ja, welches Spiel wird denn mit uns hier eigentlich gespielt? Wie sollen wir als Rat die Arbeit der Verwaltung gemäß unserer gesetzmäßigen Aufgaben kontrollieren? Das sollen wir gar nicht! Es ist nicht weniger als eine weitere Missachtung des Rates und … mehr als nur ein Trauerspiel.

Es ist ein Haushaltsentwurf, der nicht nur auf die gesetzlichen Vorgaben pfeift, er ist auch zutiefst wider die Interessen der Bürger. Wieviele Werner Bürger müssen gerade den Gürtel enger schnallen, weil die Preise steigen und das Geld knapp ist … und der Bürgermeister legt uns hier einen Blankoscheck über 11,4 Millionen Euro Verlust zur Unterschrift vor. Liebe Kollegen, lassen wir uns nicht einwickeln vom Gerede um die schlimmen externen Faktoren, an denen man nichts ändern könne und die gezielt konservative Rechnung im Haushalt. Dadurch, dass die Stadt die Einnahmen möglichst gering ansetzt und die Ausgaben möglichst hoch, bekommt sie einen Freifahrtschein für 11,4 Millionen Euro Verluste, ohne uns als Rat zu einzelnen Ausgaben befragen zu müssen. Wer diesen Haushalt so beschließt, gibt dem Bürgermeister eine Generalvollmacht Schulden zu machen, egal ob sie notwendig sind oder nicht.

Herr Bürgermeister, Sie haben uns gegenüber betont, dass kein Maßnahmenpaket der Welt dieses Defizit auffangen könne. Darf ich Sie als Privatleute fragen? – Wenn Ihnen das Wasser bis zum Hals steht, geben Sie dann ihre letzten Euro noch aus in der Hoffnung, es gebe kein Morgen mehr? Ich kann Ihnen garantieren, dieses Morgen kommt. Und an dem Trauerspiel, das Sie hier

aufführen, werden wir keine Mitschuld tragen. Und ich hoffe, liebe Kolleginnen und Kollegen des Rates, dass Sie es auch nicht werden!

Was muss sich also ändern? Wir benötigen eine realistischen Haushaltsentwurf, der eng gestrickt die Verluste eindämmt. Unerwartete Ereignisse muss man zur Not über Nachtragshaushalte oder vom Rat genehmigte Mehrausgaben abfedern. Es mag unbequem sein, aber während die Bevölkerung in weiten Teilen den Gürtel enger schnallt, ist es unserer Verantwortung zuwider, mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger so umzugehen, wie der Bürgermeister es uns hier vorschlägt.

Lassen Sie mich noch kurz einen Blick in die Zukunft werfen.
Als Lothar Christ Bürgermeister wurde, lag die Verschuldung der Stadt bei unter 49 Millionen Euro. Unsere Verschuldung liegt heute bei weit über 100 Millionen Euro. Das steigende Zinsniveau wird uns bei 30 Millionen Euro Liquiditätskrediten das Genick brechen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bin mehr als besorgt über die Auswirkungen, die dieser Entwurf auf die Bürgerinnen und Bürger unserer Stadt haben wird. Wir werden dem Bürgermeister keine Generalvollmacht ausstellen und diesen Haushaltsentwurf daher nicht mittragen.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.