Haushaltsrede von Claudia Lange zum Doppelhaushalt 2020/21

In einer langen Ratssitzung ist am 4. Dezember der Entwurf für den Doppelhaushalt 2020/21 gegen die Stimmen von CDU und FDP doch beschlossen worden. Die Entscheidung war sehr knapp, es gab 20 Ja- Stimmen von SPD, Grünen, UWW, Linken und Bürgermeister Lothar Christ, 17 Nein-Stimmen von FDP und CDU sowie 2 Enthaltungen von Anne Lohmann und Michael Zurhorst (beide CDU).

Zur Argumentation, warum wir als FDP im Rat der Stadt Werne den Haushalt nicht mittragen konnten, veröffentlichen wir hier die Haushaltsrede von Claudia Lange:

Etatrede 2020_21 FDP

Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen,

nun liegt er also vor uns, der Haushalt für das Jahr 2020/21. Wie ein Damoklesschwerthing es über uns, das Ziel: Wir müssen im Jahr 2020 einen ausgeglichenen Haushalt darstellen! Diese Worte predigen sie uns 2013, seit Einbringung des Haushaltssicherungskonzepts, immer wieder. Aber so, wie Weihnachten immer ganz plötzlich kommt, so ist es auch mit diesem Stichtag, plötzlich ist er da. Da muss doch nun die Frage ganz einfach zu beantworten sein, wird sich der Bürger denken. Ist die Zahl am Ende rot oder schwarz? Doch nein, so einfach kann man das wohl nichtbeantworten, was lesen wir? „Der Haushalt ist fiktiv ausgeglichen.“ Googeln wir also das Wort „fiktiv“. Es bedeutet übersetzt „nur angenommen, erdacht, erdichtet“. Dennschauen wir einmal genau hin, so sehen wir nicht das seit 2016 prophezeite Plus von knapp 500.000 Euro, das geplant war, sondern ein sattes Minus von 3,4 Millionen Euro in 2020 und 1,3 Millionen Euro in 2021. Wo ist das bitte ausgeglichen? Aber wir haben ja gehört: Die Finanzen sind fiktiv ausgeglichen, also nur angenommen ausgeglichen, indem der Bürgermeister in die Ausgleichsrücklage greift und das Polster abfrühstückt. Damit wäre ich an dieser Stelle ja eigentlich schon fertig – Ziel verfehlt.

Aber nun ja, wir können ja noch einmal genauer hinschauen und überlegen, ob sich unsere Ziele liberaler Politik im Haushalt der Stadt wiederfinden.

Erstes Ziel: Familienfreundlichkeit. In der Tat sind zahlreiche Investitionen geplant, die Werne als Stadt familienfreundlich machen. Im Rahmen des Regionale-Projekts werden mehr Radwege gebaut, die B 54 verkehrsberuhigt zurückgebaut, und die Horne mit Aufenthaltscharakter naturnah gestaltet. Nachhaltig werden Maßnahmen desKlimaschutzes eingeplant, die für unsere Kinder und Enkel von großer Bedeutung sind. Diese Dinge finden wir tatsächlich wieder.

Zweites Ziel: Weltbeste Bildung. Auch hier tut sich in Werne in der Tat eine Menge. Die Uhlandschule wurde ausgebaut, die neue Wiehagenschule fertiggestellt und auch im weiterführenden Bereich sind wir gut aufgestellt. Da es immer mehr junge Familien mit immer mehr Kindern gibt, werden sogar neue Kindergärten gebaut – das freut uns ungemein. Wenn Geld investiert wird, dann doch am besten in die Zukunft unserer Kinder.

Unser drittes Ziel: transparente Finanzpolitik und eine schlanke effiziente Verwaltung. Das ist ein Punkt, der nach wie vor im Vorgehen der Verwaltung in keiner Weise beachtet wird. Sie predigen gebetsmühlenartig was von ausgeglichenen Finanzen. Aber wie in der Kirche reicht Predigen nicht aus, man muss auch danach handeln! Als erste große Säule der Sparmaßnahmen steht nach wie vor die Personalkonsolidierung. Laut erster Prognose im HSK wollte der Kämmerer im Jahr 2020 208 Mitarbeiter im Stadthaus beschäftigen und 10,2 Millionen Euro Personalkosten ausgeben. Im jetzigen Haushaltsentwurf stehen wir bei 239 städtischen Mitarbeitern, die Personalkosten in Höhe von 15 Millionen Euro verursachen. Jedes Jahr steigen die Personalausgaben etwa um eine halbe Million Euro und wir liegen 5 Millionen Euro höher als zu Beginn des Konsolidierungsprozesses geplant! Herr Christ – dann verkaufen Sie es uns doch bitte nicht als Einsparpotenzial! So viel Fiktion kann ich nämlich nur schwer ertragen!

Sicherlich stellen Dinge wie Klimaschutz und Digitalisierung die Verwaltung vor neue Aufgaben, aber mir scheint, als sei Ihr erste Schritt stets, neues Personaleinzustellen. Der Bürgermeister möchte zwei Gärtner gegen die Eichenprozessionsspinner, einen Digitalisierungsbeauftrageten, einen Klimaschutzbeauftragten und und und. Und was soll damit passieren? Konzepte, Netzwerkarbeit, Projektplanung. Das ist uns zu wenig konkret. Aber seitens der Verwaltung gibt es keinerlei Signal, diesen Weg zu ändern. Unserer Ansicht nach fehlt ein funktionierendes Ressourcenmanagement. Wenn zur Bewältigung von Aufgaben in Stoßzeiten zu wenig Personal vorhanden ist, muss es doch möglich sein, dass andere Bereiche aushelfen! Seit Jahren fordern wir mehr interkommunale Zusammenarbeit und ich glaube, dass dies gerade in den Bereichen Klimaschutz und Digitalisierung durchaus klug wäre. Aber in Werne herrscht Kirchturmdenken und davon lässt man sich nicht abbringen. In Werne wird munter weiter eingestellt. Wie kann es sein, dass im Kreishaus in Unna mit 1500 Mitarbeitern 10 neue Stellen vonnöten sind und in Werne 8 neue Stellen geschaffen werden, obwohl wir 6 mal so klein sind?

Vor zehn Jahren lag die Verschuldung Wernes bei 49 Millionen Euro, davon waren 5 Millionen Liquiditätskredite. Schon damals hat der Kämmerer voll Sorge auf diese 5 Millionen geblickt und vor einer Zinsänderung gewarnt. Heute hat die Stadt Werne 124 Millionen Euro Schulden, davon 48 Millionen Euro Liquiditätskredite, das muss man sich mal vor Augen führen. Eine Zinsänderung kann uns ganz schnell das Genick brechen. Von daher kann ich überhaupt nicht von einem ausgeglichenen Haushalt sprechen, wenn uns immer wieder versprochen wird, dass wir in zwei Jahren beginnen können, Schulden zu tilgen. Wann werden diese fiktiven zwei Jahre denn mal zu Ende sein?

An dieser Stelle muss auch über die Finanzvorstellungen der anderen Parteien gesprochen werden. Auch hier fehlt an vielen Stellen der Wille, verantwortungsvoll mit dem Geld umzugehen. Die SDP ist immer ganz vorn mit dabei, wenn es um zusätzliches Personal geht, wie nun beim Klimaschutzmanager und die CDU benötigt allein in den Anträgen vom heutigen Tag eine halbe Million zusätzlich im Haushalt.

Das Regionale-Projekt ist richtig und wichtig. Die Bürger wurden beteiligt und fühlen sich eingebunden. 18 Millionen Euro kostet das Vorhaben über die Zeit, davon beträgt der Eigenanteil der Stadt Werne 5 Millionen Euro. Auch das muss erst einmal gestemmt werden. Doch dann explodierten plötzlich die Kosten und eine Lösung musste her. Auf dem Papier steht in der bereinigten Form des Bürgermeisters wieder die passende Zahl unterm Strich, aber wie funktioniert in Werne transparente Finanzpolitik? Man schiebt einfach ein Projekt von fast 800.000 Euro in einen anderen Bereich und schon passt es wieder. Ich mache mir die Welt, wie sie mit gefällt. Auch hier kann ich so viel fiktive Wirklichkeit nur schwer ertragen, denn das Geld wird ja trotzdem ausgegeben! Es steht nur auf einem anderen Blatt Papier!

Jetzt werden Sie wieder sagen, dass der größte Teil der Ausgaben nicht zu beeinflussen ist. Das ist in der Tat richtig und es gibt Bereiche, wie die Jugendhilfe, in denen die Kosten auch weiterhin steigen werden! Das muss ehrlich eingeplant werden.

Wo kann also noch eingespart werden? Sparen heißt weniger ausgeben, das sagen wir schon seit Jahren. Schaut man sich den Haushalt des Kreises Unna an, so findet man durchgängig eine Konzernbetrachtung der Stadt. Eine wirtschaftsnahe Finanzpolitikmit einem Controlling, bei dem durch Ziele und Kennzahlen messbar reflektiert werden kann. Ziele wären ja aber schlecht, dann könnte man ja dafür zur Verantwortung gezogen werden, wenn sie nicht erreicht werden. Wie zum Beispiel beim Vergleich der Zahlen von 2013 und heute. Wir können uns auch in diesem Jahr nicht am Wettbewerb messen. In den meisten Bereichen haben wir noch immer keine Kennzahlen, um zu erkennen, wie gut wir bei der Erreichung unserer Ziele sind. Und konkrete Zielformulierungen, die anspornen, das gesetzte Ziel zu erreichen, finden wir ebenso nicht. Und womöglich könnten durch Ziele und Kennzahlen noch neue Einsparmöglichkeiten gefunden werden? Aber das möchte die Verwaltungsspitze nicht. Nein, das koste erst einmal massiv mehr Personal. Noch mehr?

Abschließend muss ich sagen, dass wir als FDP Fraktion trotz aller positiven Aspekte in den Bereichen Bildung und Familienfreundlichkeit den vorgelegten Haushaltsentwurf ablehnen werden, weil wir die intransparente Finanzpolitik der Verwaltung nicht

mittragen können. Wir wollen keinen fiktiven Ausgleich, sondern echte Tilgung der Schulden, die aufgebaut wurden. Wir wollen Transparenz in allen Projekten, die die Stadt angeht und keine versteckten oder verschobenen Posten. Wir fordern endlichmehr interkommunale Zusammenarbeit und effektives Ressourcenmanagementim Stadthaus. Wir werden den vorliegenden Haushaltsentwurf daher ablehnen.

Werne, den 4.12.20019