Rede des FDP-Fraktionsvorsitzenden Jörg Meißner anlässlich der Verabschiedung des Haushaltes 2009 der Stadt Werne in der Sitzung des Stadtrates am 29. April 2009.

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
sehr geehrte Damen und Herren,

der vorliegende Haushalt ist eine erste Bestandaufnahme nach den neuen Regeln des Neuen Kommunalen Finanzmanagements.

Das Ergebnis ist erschütternd: Die Defizite des Kernhaushaltes und des Kommunalbetriebes betragen zusammen rund 7,6 Mio. €. Was wir vor uns haben, ist also im Grunde die Bestandsaufnahme eines Insolvenzverwalters.

Sie alle haben sich sicher in den letzten Jahren mit der Philosophie des NKF beschäftigt. Die Kernbotschaft des NKF heißt „Führen mit Zielen“

Dass diese neue Art der Rechnungslegung, die sich an kaufmännischen Regeln orientiert, endlich auch Einzug in Werne gehalten hat, begrüßen wir natürlich. Die Abbildung ist wirklichkeitsnäher. Die Realität wird transparenter dargestellt als wir das aus der Kameralistik kennen.

Eins ist aber wichtig zu betonen: NKF macht uns nicht reicher und nicht ärmer, meine Damen und Herren, NKF soll uns schlauer machen und uns eine bessere Politik ermöglichen.

Aber hat die neue Buchführung auch schon zum Umdenken von Rat und Verwaltung geführt? Bei wenigen Ausnahmen an der Verwaltungsspitze kann diese Frage heute leider nur mit einem entschiedenen Nein beantwortet werden.

Bei der Einbringung des Haushaltes durch den Kämmerer war das scheinbare Entsetzen der beiden noch etwas größeren Parteien wieder da, als das erste negative Ergebnis mit 7,4 Mio. € bekannt wurde.

Die üblichen Floskeln wie „ es darf keine Tabus geben“ oder „ wir müssen der Verwaltung Ziele vorgeben“ machten schnell die Runde. Die SPD sprach in Zeitungsberichten sogar Lob aus, dass es gelungen sei, den Haushalt steuerungsfähig zu halten.

Echte Haushaltsberatungen haben dann gar nicht stattgefunden. In zwei wichtigen Ausschüssen, dem Schulausschuss und dem Stadtentwicklungsausschuss wurde der Haushalt sogar gar nicht beraten.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen,

NKF macht nicht automatisch schlauer. Man muss schon ein bisschen dafür tun.

Bei oberflächlicher Betrachtung mag man schnell zu dem Schluss kommen, es bestünden doch bilanzielle Reserven in der ersten Bilanz der Stadt. Ich rufe in Erinnerung: Diese Ausgleichsrücklage ist nur Buchgeld, nichts anderes als Spielgeld. Lässt man sich davon blenden, werden echte Einsparvorschläge und Steuerungsimpulse eben schnell vergessen.

In dem zweiten Entwurf – der heute beschlossen werden soll – hat der Kämmerer in die legale Trickkiste gegriffen und die Verluste von rechts nach links geschoben. Der Kommunalbetrieb schultert nun einen Teil des Defizits. Gab es vorher in diesem städtischen Betrieb „nur“ einen Verlust von knapp 0,4 Mio. €, so hat sich nun ein Defizit von 3,8 Mio. € eingestellt. Im Kernhaushalt haben wir damit im Handumdrehen nur noch ein Haushaltsloch von 3,8 Mio. €. Wohlgemerkt: Das ist legal und auch kurzfristig plausibel. Aber die Stadt ist dadurch nicht um einen Euro reicher geworden.

„Damit haben wir erstmal Luft gewonnen“, so zumindest die Meinung vieler hier im Gremium. In der Tat, das gilt aber nur für sehr kurze Zeit. Vergessen wird schnell, dass wir damit unsere nachfolgenden Generationen belasten, weil wir zur Abdeckung Kredite aufnehmen müssen. Man kann auch sagen: Werne lebt über seine Verhältnisse. Ohne echte Veränderungsbereitschaft, die Einnahmesituation der Stadt zu verbessern und die Kosten zu senken, landen wir schneller in einem Nothaushalt, als wir denken können.

Der große Verlust mag vielleicht für einige von Ihnen überraschend sein, für uns im Grunde nicht.

Die Gründung des Kommunalbetriebes und den damit einhergehenden „Verschiebebahnhof“ haben wir bisher mitgetragen. Nun müssen aber Einsparvorschläge her, die auch weh tun werden. Nur mit Kostensenkungen über ein professionelleres Immobilienmanagement allein ist es nicht getan. Für den Kommunalbetrieb müssen auf Dauer kostendeckende Mieten erzielt werden. Das führt aber zwangsläufig zur Frage der Leistungsfähigkeit der Stadt.

Ist Werne nachhaltig in der Lage, höhere Einnahmen zu erzielen? Welche Art von Einnahmen können es denn sein? Nur wenn wir es schaffen, uns dauerhaft von anderen Städten abzuheben und ein attraktives Umfeld auszubauen, werden wir in der Lage sein, diesen Anforderungen gerecht zu werden. Hierbei steht in vorderster Linie die Schaffung von Arbeitsplätzen und damit die Ansiedlung von Unternehmen im Vordergrund. Werne hat in den letzten Jahren über 1.000 Jobs verloren. Echte Wirtschaftsförderung, die diesen Namen auch verdient hätte, hat in den letzten 10 – 15 Jahren kaum stattgefunden. Werne hat an Attraktivität als Wirtschaftsstandort kräftig eingebüßt. Allein dies der Verwaltung anzulasten, ist aber Fehl am Platz. Die CDU war zumindest in der Vergangenheit die gestaltende Kraft. Hier haben uns andere Städte was vor gemacht.

Unverändert ist es notwendig, stärker Familien und junge Menschen für Werne zu gewinnen. Hier besteht bekanntlich außerordentlicher Nachholbedarf, auch wenn Sie sich mit den entsprechenden Untersuchungen der Bertelsmann-Stiftung, die das belegen, offenbar nicht beschäftigen wollen.

In dem vorliegenden Beschlussvorschlag formuliert die Verwaltung ihre Ziele recht zurückhaltend: Es soll ein Konzept erarbeitet werden, dass mittel- bis langfristig Möglichkeiten zur Ergebnisverbesserung aufzeigt. Das ist schon ganz gut, aber das wird nicht reichen. Wer so defensiv an dieses schwierige Thema geht, wird die Widerstände nicht überwinden.

Aber was soll die Verwaltung auch machen? Noch weniger Mumm als die Verwaltungsspitze hat ja dieser Rat. Dass dieser Rat nicht den Mut hat, die richtigen Lehren aus NKF zu ziehen und bereits jetzt konkrete Verbesserungsvorschläge zu diskutieren, hat uns nicht sonderlich überrascht, waren doch bereits die vorhergehenden Haushaltssicherungskonzepte für Sie alle eher Kosmetik. Das hat man zur Kenntnis genommen und dann war man froh, dass dieses Papier wieder in den Schubladen verschwand. Wenn wir nach Controlling gefragt haben, haben Sie entweder die Augen verdreht oder im Wörterbuch nachgeschlagen.

Aber, meine Damen und Herren, dass Sie nicht die Notwendigkeit erkannt haben, einen Zieldialog zu führen und Werne eine Planung für das nächste Jahrzehnt zu geben, das beunruhigt uns doch. Denn dies, meine Damen und Herren, ist eine entscheidende Erkenntnis anderer Kommunen, die sich dieser Herausforderung mit viel Leidenschaft gestellt haben. Ich erinnere hier an meinen Eingangssatz: NKF heißt „Führen mit Zielen“.

Und Sie irren sich gewaltig, wenn Sie meinen, das notwendige Einsparkonzept der Verwaltung beinhalte die notwendigen Ziele. Im Gegenteil: Die wenigen Maßstäbe, die der letzte kamerale Produkthaushalt noch enthielt, sind jetzt endgültig unter den Tisch gefallen. Insbesondere irrt Herr Ostholt, wenn er meint, eine Stadt sei gar nicht steuerbar. Viele erfolgreiche Städte zeigen es Ihnen, dass es anders geht. Natürlich liegt die Zukunft im Nebel, meine Damen und Herren, das liegt in der Natur der Sache. Aber wer im Nebel navigiert, sollte deswegen ja nicht seinen Kompass wegschmeißen. Es ist nicht egal, wo wir ankommen – jedenfalls ist uns das nicht egal.

Die Formulierung von Zielen kann die Verwaltung nicht leisten – da muss sich schon die Politik bequemen und ihre Aufgaben erfüllen.

Wir können nur hoffen, dass der neue Rat ab Oktober über mehr Weitsicht und Gestaltungswillen verfügt.

Wohin Ziellosigkeit führt, zeigt auch unser Verlustbringer Nr. 1: das Solebad. Hier wurde über viele Jahre viel zu lange herumgedoktert, ohne wirklich zu wissen, wohin man will. Das hat uns bis heute viel Geld gekostet.
Es wurde versäumt, die richtigen Weichen in der Ausrichtung zu stellen. Es wurde versäumt, die Attraktivität zu erhalten. Ferner wurde über zu viele Jahre versäumt, die richtigen personellen Entscheidungen in der Führung des Bades zu treffen. Und dass Ihr Masterplan die Verluste wirklich nachhaltig ändern wird, bleibt mit Blick auf das Verhalten anderer Bäder in der Region eine sehr unsichere Hoffnung. Die Risiken für unsere Kleinstadt sind indes gewaltig. Über 15 Millionen zu investieren, ohne zu wissen, ob Sie den Rückhalt der Bevölkerung hierfür haben, halten wir für grundfalsch.

Sie sehen: Die Liste der Kritikpunkte ist lang. Sie könnte weitergeführt werden. Wir denken an die Schaffung einer nicht notwendigen Rechtsratstelle, die wir ablehnen. Statt in Bürokratie hätten wir lieber in Bürgernähe investiert und eine volle weitere Streetworker-Stelle geschaffen. Auch halten wir das Ausklammern der Weihbachschule aus dem Konjunkturpaket für falsch. Für uns liegt die Zukunft in kleinen Klassen – damit ist eine Aufgabe dieser Schule für uns noch längst nicht beschlossene Sache.

Gleichwohl finden wir uns in einigen Punkten wieder. Unsere Forderungen nach Investitionen in Schulen und Bildung wurden zum Teil erfüllt – auch wenn diese vermutlich ohne das Konjunkturpaket II nie in dieser Höhe getätigt worden wären. Dafür hätte Ihnen der Mut gefehlt.
Die bauliche Zusammenlegung von Real- und Hauptschule sowie der erste Kunstrasenplatz sind weitere gute Argumente für uns, diesem Haushalt zuzustimmen. Insbesondere verkennen wir nicht, dass dieser Haushalt der erste ist im Jahr 0 der neuen Rechnungslegung und hier noch einiges an handwerklicher Feinarbeit erforderlich ist.
Mit unserer Zustimmung wollen wir vor allem dem Kämmerer Rückendeckung geben, dass der Punkt 3 des Beschlussvorschlages kein Papiertiger wird. Seinen Gestaltungswillen wollen wir unterstützen.

Außerdem setzen wir auf einen neuen Rat und auf einen neuen Bürgermeister. Wir brauchen mehr Tatkraft, mehr Gestaltungswille, mehr Zukunftsorientierung. Wir setzen darauf, dass der neue Bürgermeister gemeinsam mit dem Kämmerer diese Hoffnungen erfüllt.

Wir sind jederzeit bereit, mit Entschlossenheit die richtigen Weichen zu stellen und sind jedenfalls optimistisch, dass dies unter unserer Mitwirkung so geschehen wird.

Unter Abwägung aller Kritikpunkte werden wir daher in diesem Jahr diesem Haushaltsplan zustimmen. Dies gilt ausdrücklich nicht für den Masterplan und die damit verbundenen Investitionen.

Wie ich schon eingangs sagte: Dieser Haushaltsplan ist im Grunde die Bestandsaufnahme eine Insolvenzverwalters. Dieser Bestandsaufnahme stimmen wir zu in der Absicht, alle zu unterstützen, die morgen mit ernsthafter Sanierung beginnen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!