Rede zum Haushalt von Jörg Meißner

Sehr geehrte Damen und Herren,

alle Jahre wieder ist das Entsetzen mehr oder wenig groß, wenn der Kämmerer die Zahlen auf den Tisch legt. Ich habe nunmehr seit 5 Jahren die Freude – oder sagen wir besser das Leid – den Prozess von den ersten wagen Zahlen des Kämmerers, dann zum Haushalts-entwurf bis hin zur abschließenden Verwaltungsvorlage hautnah zu begleiten.

Es ist ja nicht das erste Haushaltssicherungskonzept, das nun – sei es auch in diesem Jahr freiwillig – beraten wird. Was ist eigentlich aus den vielen Vorschlägen der vergangenen Jahre geworden? Ob Kürzungen von freiwilligen Leistungen, Einsparungen bei der Stadtbücherei, im Museum oder bei der VHS? Was ist denn aus den Optimierungsvorschlägen geworden? Wer hat deren Umsetzung denn  nachgehalten? Bereits in diesem Jahr sollte auf Basis des Doppelhaushaltes 2007/2008 annähernd der Ausgleich geschafft werden. Bekanntlich sind wir davon heute weiter weg denn je.

Gewürzt wurde dieser Prozess stets in der Vergangen-heit – und diesmal ist es nicht anders – von gehaltvollen Aussagen einiger Ratsherren in der Presse. Seit fünf Jahren gibt es schließlich „keine Tabus“ mehr, oder „ auch wir unterstützen voll die Offensive“. Nur um einige Zitate zu verwenden.

Um es vorweg zu nehmen: Ich habe in den letzten Jahren allmählich den Glauben daran verloren, dass diese Stadt – insbesondere die Mehrheit der politischen Vertreter – einen Willen zur echten Konsolidierungs-fähigkeit besitzt.

Doch nun zu 2010: Betrachten wir die Einsparvorschläge der Verwaltung genauer, so offenbart sich die ganze traurige Wahrheit: Gegenüber dem ersten Entwurf aus Februar d.J hat sich der Fehlbetrag um gerade einmal T€ 120 verringert – trotz Steuer- und Gebühren-erhöhungen, trotz breit angekündigter Sparmaßnahmen. Ein Ausgleich bis 2013 ist nicht in Sicht. Weitet man seine Betrachtungen auch auf den Kommunalbetrieb aus, so summieren sich die Verluste bis 2013 auf sage und schreibe rd. 24 Mio. €. Das Eigenkapital der Stadt sinkt in diesem Zeitraum besorgniserregend.

Bürgermeister und Kämmerer haben natürlich die Situation kommen sehen und haben sehr frühzeitig eine neue Denke angekündigt. Im Januar wurde ein „Nachhaltigkeitskonzept“ angekündigt, was mit Unterstützung einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellt wurde und Großes hoffen lies. CDU, SPD, Grüne und UWW waren bereits zu diesem Zeitpunkt voll des Lobes über den Tatendrang und signalisierten sofort Zustimmung zum Haushalt. Vielleicht wie in den Vorjahren: abgehakt und fertig? Konkrete Erkenntnisse lagen ja noch nicht vor.

Spätestens mit den Vorschlägen aus der letzten Sitzungswoche, dem freiwilligen „Haushalts-sicherungskonzept Offensive 2020“, ist jedoch bei uns (und vielleicht bei vielen anderen) Ernüchterung eingetreten.

Während konkrete Vorschläge zu Einnahmen-verbesserungen vorliegen (also Steuer- und Gebührenerhöhungen) ist die Aufgabenkritik doch eher vage und pauschal geblieben. Konkrete Wertansätze und Zahlen fehlen fast vollständig. Man müsse halt diese Dinge weiterentwickeln, so heißt es aus der Verwaltung – und sicherlich auch heute in den Reden meiner politischen Mitstreiter.

Man kann glauben, ob dies auch wirklich passiert – oder auch nicht. Man kann dem Bürgermeister und dem Kämmerer alleine keinen Vorwurf machen. Die Themen sind sicherlich richtig angedeutet und platziert, aber ob der Rat die Kraft hat, auch wirklich wirksame Entscheidungen zu treffen, ist aus meiner Sicht vor dem Hintergrund der Erfahrungen der Vergangenheit mehr als fraglich. Werden denn wieder Nebelkerzen gezündet (wie zuletzt mit der Schließung des Stockumer Freibades oder wie in diesem Vorschlag: die Schließung der Weihbachschule), um vom wahren Konsolidierungsdruck abzulenken?

Ich hätte mir jedoch auch von der Verwaltung mehr Deutlichkeit und Transparenz gewünscht, damit die richtigen Entscheidungen nicht im politischen Kleinklein untergehen.

Doch nun konkret:

Werne leidet trotz der Attraktivität der Innenstadt und des Umfeldes an einem Mangel an jungen Familien und an Zuzügen. Wir haben es bisher nicht geschafft, die Vorzüge dieser Stadt richtig zu vermarkten. Werne befindet sich im Wettbewerb mit anderen Städten – insbesondere mit der Region im Münsterland. Das Drehen an der Steuer- und Gebührenschraube trifft überwiegend junge Familien – auch die, die sich in Werne künftig niederlassen möchten. Unsere Frage, nach den Auswirkungen von Grundsteuererhöhungen und von Erhöhungen der Kindergartenbeiträgen (auch wenn sie erst perspektivisch wirken) auf einen durchschnittlichen 4-Personen-Haushalt (und dies im Vergleich zu den wichtigen Wettbewerbsstädten) blieb z.B. bis heute unbeantwortet.

Wir benötigen Mut und Kreativität, nicht in den Tenor anderer Gemeinden einzustimmen und dieselben Fehler zu begehen. Wir finden, wir sollten zunächst vor der eigenen Haustür kehren. Man muss Themen

auch mal anders als andere anpacken, um sich abzuheben und um erfolgreich zu sein.

Wie kann man einem Haushalt zustimmen, wenn wesentliche Entscheidungsdetails fehlen? Bis heute liegt z.B. noch keine Eröffnungsbilanz nach NKF vor. Welche Bewertungsmaßstäbe wurden angesetzt? Welche freiwilligen Leistungen der Stadt werden denn tatsächlich in Gänze an Vereine, Verbände und Institutionen erbracht. Ist deren Verteilung denn noch gerecht?

Schulschließungen sind vielleicht perspektivisch unumgänglich, wie kann man jedoch eine Schule schließen, ohne zu wissen, ob dies der richtige Standort ist (insbesondere vor dem Hintergrund der neuen Wohnbaugebiete) und die Folgenutzung unklar ist? Ist es nicht vielleicht klüger, eine wohnortnahe Schulversorgung als Standortvorteil zu sehen? Die skizzierten Einspareffekte der Schulschließung sind doch sehr dünn. Hier hätten wir uns konkretere Antworten gewünscht.

Auch der Dauerverlustbringer – das Solebad – ist immer noch ein Sorgenkind. Das Management unter Führung des externen Betreibers Dr. Quell ist bisher jeden Beweis schuldig geblieben, hier signifikante Verbesserungen zu erzielen. Viel Geld für ein teures Prestigeprojekt auszugeben – das hätten wir alle auch selber gekonnt. Die Umsetzung von beschlossenen Maßnahmen dauert zudem viel zu lange – ich erinnere hier an die ausstehende Badbefragung.

Eine weitere Baustelle ist unser Kommunalbetrieb. Nach einer zweijährigen Gründungsphase ist eine Handschrift bzw. eine Ausrichtung des Unternehmens nicht zu erkennen. Wann wird endlich transparent, welche verursachungsgerechte Preise (in Form von Mieten) zu veranschlagen sind? Welche Zielrichtung hat das Unternehmen? Welche Maßnahmen werden ergriffen?

Die Reihe der Kritikpunkte ließe sich weiter fortsetzen. Immer noch fehlt es der Stadt an klaren Zielen und an daraus sich ableitenden messbaren Steuerungsinstrumenten. Das kritisieren wir seit vielen Jahren – zuletzt in meiner Haushaltsrede vor einem Jahr.

Wir stimmen daher keinem Haushalt zu, der erneut auf dem Prinzip Hoffnung beruht. Wir wollen Taten sehen, gehofft haben wir schließlich lange genug.